musikverrueckte Menschen sind das Sahnehäubchen unseres irdischen Daseins

Vor das Vergnügen hat der Herr den Schweiss gesetzt in Form eines formidablen Auftrittes im Bad Mergentheimer Kulturzentrum - einzig auf die katastrophalen Lichtverhältnisse war ich nicht eingestellt

AGUA Y VINO - Das Interview

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Am Abend des 07. Oktober 2009 kam ich in Bad Mergentheim in den Genuss eines Flamenco-Konzertes des Duos Agua Y Vino. Danach traf ich die beiden Musiker zum Interview in einer gemütlichen Kneipe. Der Wirt war so freundlich, die Musik im Raucherraum etwas leiser zu stellen und es entwickelte sich ein wunderbares lockeres Gespräch.

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Was macht denn den Flamenco heutzutage aus?

Barbara: Im Flamenco gibt es zwei Strömungen, die einen singen einfach, wie’s ihnen kommt, einfach frei von der Leber weg - oder besser gesagt, vom Herzen vielmehr - und das mit einer unglaublichen Intensität - auch für die Stimmbänder und das ist mit der Zeit natürlich auch Stimmen schädigend. Und die andere neuere Strömungen sind die Sänger, die mit geschulter Stimme singen und da sagen die Alten halt “Das ist doch kein Flamenco mehr!” Das sind die zwei Strömungen, die es im Moment vordergründig gibt.

Und was sagen die Puristen?

Barbara: Also - die Puristen sagen, das muss nicht eine geschulte Stimme sein, das würde heissen “Auf die Stimmbänder Acht geben” und nicht so sehr auf die Stimmbänder zu drücken, das bedeutet, das Stimmvolumen nicht durch Druck zu machen, sondern durch Stimmtechniken.

Also wären jetzt die Gipsy Kings für Puristen verpönt?

Barbara: Na ja, die Gipsy Kings spielen jetzt nicht unbedingt Flamenco in dem Sinne, die spielen eher Rumba.

Erik: Wobei die Technik, die der Sänger verwendet, eindeutig zum Flamenco eingeordnet werden kann, er verwendet eindeutig Flamenco-Markenzeichen.

Barbara: Ja, aber die Gesänge erreichen die Intensität einfach nicht.

Erik: Also, der Vater von denen, der Jose Reyes, hat eindeutig auf die alten Flamenco-Sachen gesungen, es gibt da Dokumentationen, die laufen ab und zu auf den dritten Programmen. Da gibt es eine Dokumentation mit Namen “Terra Negra” - also schwarze Erde - über die Gipsy Kings, da wird alles gesagt über die Anfänge und wo die herkommen. Die Eltern sind ja von Spanien nach Südfrankreich ausgewandert aus politischen Gründen wegen dem Franco damals noch. Sie sind dort aufgewachsen und der Vater - es handelt sich um zwei Familien - die eine ist eine Gitarristenfamilie, das sind die Bailardos, und die Anderen sind die Sängerfamilie, das sind die Reyes. Und diese zwei Familien haben sich zusammen gewürfelt, um so die Vorteile durcheinander eines jeden zu mischen, diese Gitarrentechniken und eben diese Sänger und das ergibt im Verbund diese starke Gruppe.

Barbara: Wobei es immer darauf ankommt, in welchen Formationen sie spielen. Aber ich würde die Gipsy Kings jetzt nicht als Flamenco bezeichnen.

Also ich sage ja immer abwertend - obwohl man die Musik der Gipsy Kings ja eigentlich nicht abwertend bezeichnen kann, das ist Hausfrauen Flamenco. Dann bekomme ich zuhause immer eine auf den Deckel.

Barbara: Also, wenn wir jetzt mit einem Flamenco Sänger anrücken würden, die Leute sind das auch nicht gewohnt, weil der Flamenco Gesang viel rauher ist und das ist für den Hörer in unseren Landen halt auch teilweise ungewohnt.

Kennt Ihr den Film Vengo?

Erik: Da haben wir auch einen Song im Programm

Ja, das ist einer meiner Lieblingssongs im Genre überhaupt

Erik: Ja, wenn wir das gewusst hätten, wir hätten ihn heute Abend gespielt

Ich weiss noch, wie lange ich da nach einer CD gesucht habe, und im Frankfurter World Of Music habe ich sie dann nach 2 Jahren gefunden.

Barbara: Die Noten waren mal drin in der Flamenco-Zeitung.

Flamenco-Zeitung? Gibt es denn eine Flamenco-Zeitung?

Barbara: Ja, es gibt eine Flamenco-Zeitung, die heisst Anda, die bringen Artikel über die Flamenco-Szene in Deutschland und Spanien, diese Zeitung gibt es bereits seit 10 Jahren

Erik: Die Zeitung wird von einem einzigen Enthusiasten gemacht.

Barbara: Oliver Farke heisst der und der ist eigentlich alleine. Und sein ganzer Lebensinhalt sind sämtliche Festivals in Deutschland und in Spanien. Er hat dann einige Leute, die für ihn schreiben, es gibt da auch enige tolle Kolumnen wie zum Beispiel das “Tagebuch eines Flamenco-Ehemannes”

Ich habe mir hier ein paar Fragen notiert und auch mal bei den Empfängern des Worldmusic-Newsletters herumgefragt, ob es Fragen gibt, ich lese sie Euch einfach mal vor. Wenn man in der Suchmaschine Eure Namen eingibt, Da kommen dann eine ganze Menge Namen wie Guitar Barbara, Flamenco Manuela, eine Tanzschule. Habt Ihr Euch so ein kleines Flamenco-Universum aufgebaut.

Barbara: Wir sind eine Gruppe - uns gibt es seit 10 Jahren und die einzelnen unserer Gruppe haben auch verschiedene Sachen, die sie machen. Die Manuela zum Beispiel, die tanzt und unterrichtet auch Tanz. Sie hat auch noch eine eigene Webseite, die Flamenco Minus Manuela heisst. Auf meiner Webseite Guitarbarbara.de gibt es auch noch Klassik und Theater. Dann haben wir uns den Namen Danzaluna irgendwann gesichert, weil wir uns das auch als Domäne sichern wollten und wenn jetzt jemand Danzaluna oder guitarbarbara eingibt, kommt er immer auf die gleiche Seite. Wir haben uns praktisch für verschiedene Projekte die Domänen gesichert

Erik: Das hat sich so entwickelt, mit Manuela habe ich vor 10 oder 11 Jahren, - wir waren damals noch zu zweit - nach einem Namen gesucht und wir wollten uns ein bisschen absetzen von üblichen Namen. Wir haben dabei bedacht, dass wir keine Spanier sind und wir können auch nicht diesen puren Flamenco vertreten - das können die Spanier sowieso am besten und wir hatten dann diese Wortschöpfung: Danza ist eigentlich etwas lateinamerikanisches, denn die Spanier würde statt dessen Baile sagen und Luna heisst der Mond

Und wie seid Ihr beiden zusammen gekommen? Wart Ihr damals schon in Würzburg?

Erik: Manuela hat bereits in Würzburg gewohnt und ich bin damals gerade aus Spanien zurück gekommen, aus Andalusien vom Gitarrenunterricht. Ich war gerade richtig motiviert und habe mir gedacht: Jetzt möchte ich mal in einer Flamenco Gruppe spielen - da fängt man als Gitarrist am besten an mit einer Tänzerin, das ist einfach untrennbar miteinander verbunden. Ich habe dann eine Zeitungsanzeige gesehen “Spanischer Tanz und Flamenco für Ihre Feier”, hab dann dort angerufen und das war die Manuela. Die hatte damals schon einen Gitarristen - ich habe dann meine Nummer da gelassen. und sie sagte “Nett, dass du anrufst, und ich bin da aber schon eingebunden.” Zwei, drei Wochen später hat das Telefon geklingelt und sie hat gesagt “Mein Gitarrist ist grad weg, hast Du noch Interesse?” So hat das angefangen.

Erik: Als nächstes ist dann eine Sängerin dazu gekommen, die bei Manuela Tanzunterricht hatte an der Musikhochschule, die war Spanien und Mexiko Fan, sie hat auch sehr gut spanisch gesprochen und sie hat dann bei uns gesungen

Barbara: Sie ist heute in Regensburg am Theater tätig

Erik: Ja, und dann ist die Barbara dazu gekommen.

Barbara: Ja, ich habe ein Duo gebildet mit einem anderen Gitarristen und ich habe mir gesagt, wenn ich diese Musik schon mache, dann möchte ich auch wissen, was es mit dem Tanz auf sich hat. Dann hat die Manuela gesagt, wir könnten noch einen Gitarristen gebrauchen. Ich hatte aber auch einen Gitarristen, mit dem ich zusammenspielte. Der hat aber in Frankfurt gewohnt, und mit der Zeit war ihm die Entfernung zu weit. Das funktioniert einfach nicht mit diesen Entfernungen, wenn Du Musik machst. Unser Projekt hat sich dann aufgelöst - das war vor 10 Jahren - und ich bin dann bei Danzaluna eingestiegen und seitdem gibt es uns als Gruppe.

Erik: Wir haben uns dann auch näher kennen gelernt, sind dann ein Paar geworden und wir wohnen mittlerweile auch zusammen, das ist also über die Musik zusammengewachsen. Und es hat sich dann heraus kristallisiert - diese Dreier Besetzung mit der Manuela und Barbara, wir verstehen uns auch sehr gut - eine normale Flamenco Gruppe, das sind so 5 bis 6 Leute - aber je mehr Spieler und Leute Du hast, desto schwieriger wird es, das alles unter einen Hut zu bringen und dann wird es auch mit den Gagen schwierig. Wir haben auch Anfragen von Cajon-Spielern, aber wir können nicht einfach noch einen Mann beschäftigen.

Ein Lächeln für den Fotografen - da schmelzen die Sinne dahin

Ihr habt also schon mit diesem Perkussionsinstrument gearbeitet?

Barbara: Ja, wir haben schon damit gearbeitet, aber drei Leute sind einfach das optimale Maximum, so wie es jetzt ist.

Erik: Barbara lebt von der ganzen Geschichte, ich halb und Manuela ist eigentlich Anwältin und konnte auch beruflich bedingt zeitweise weniger Energie in die Gruppe stecken und so ist dann auch unser Duo-Projekt entstanden: Agua Y Vino.

Barbara: Es ist uns auch wichtig, dass wir sehr viel miteinander üben und wenn wir jetzt einen Cajonspieler hätten, der zwei oder dreimal vor dem Auftritt kommt, bringt das der Musik nichts. Das hatten wir am Schluss mit der Sängerin, da habe ich nur Gitarre gespielt und die kam dann nur für ein paar Proben und das hat einfach nicht funktioniert. Entweder man übt einfach zusammen oder ist es dann so, dass man auch die Termine nicht unter einen Hut kriegt.

Bei dem einen Stück, das Ihr heute gespielt habt, ist mir aufgefallen, viel Zählen - metrisch gesehen - ist da nicht drin, oder? Ihr spielt das so aus dem Bauch heraus - wieviel Übung steckt denn da dahinter? Wie stimmt ihr das miteinander ab? Ihr seid da sehr impulsiv. Wie bringt man diese Impulsivität rhythmisch unter einen Hut

Barbara: Also die Rhythmen sind schon sehr festgelegt, bei der Rumba sind es 4er und bei den anderen sind es 12er Rhythmen

Erik: Es ist im Grunde wie ein Blues Schema, auf dem 12er Takt, nur etwas ausgeweitet. Der andere weiss immer, wo wir gerade sind. Was Barbara mit den Füssen macht, wiederholt sich oft auf der Gitarre. Die Rasguados, da unterschiedet man zwischen Triolen, Sechzehnteln und ähnlich funktioniert es bei den Füssen. Man hört dann mit der Zeit und weiss - sie tanzt jetzt Triolen.

Barbara: Da steckt sehr viel Übung dahinter, da passiert nichts zufällig.

Wie geht Ihr vor beim Üben? Habt Ihr ein Metronom, das Ihr einstellt?

Barbara: Ja, im Prinzip ja. Also ich habe jetzt - da ich schon dreissig Jahre Musik mache - das Metronom schon in mir drin, es gibt da aber auch CDs, die den Rhythmus machen und es ist nichts anderes, wie mit einem Instrument zu üben und es muss einfach vom Takt her stimmen - das mit den Füssen ist geübt, genau so wie wenn einer mit einer Trommel spielt.

Mit der Gitarre genauso? Übt Ihr zunächst getrennt?

Erik: Im Prinzip schon, da sind zuerst die Akkorde, dann kommt der Text.

Am Ende des Konzertes gab es einen Riesenapplaus und einen guten badischen Tropfen

Was sind denn so Eure favorisierten Flamenco-Formen. In wikipedia habe ich mal gelesen, es gibt über 100 verschieden Flamenco-Formen.

Barbara: Meinst Du jetzt die Richtungen? Also wir bevorzugen Soleares, ich persönlich mag gerne die eleganten Formen wie Guajira mit dem Fächer, oder Allegria mit dem Schleppendinxda, ich mag lieber die etwas fröhlicheren, die traurigen sind nicht so mein Ding.

Auf Eurer CD habe ich was von einer Petenera gelesen.

Barbara: Petenera ist was ganz Schwarzes. Petenera sagt man, bringt eigentlich Unglück. Der Song “El Cafe de Chinitas”. Das ist eine Legende, die von einer Frau handelt, die unglaublich schön war und die hat ganze Familie ins Unglück gestürzt, es heisst eigentlich, man darf eine Petenera weder singen noch spielen. Das ist so eine alte Zigeunerseite.

Erik: Die Spanier, die Gitanos zum Beispiel, wenn die irgendwo sind und eine Petenera hören, da gehen die wirklich raus, die verlassen den Raum, weil sie der Meinung sind, das das Unglück bringt!

Barbara: Aber wir sehen das nicht so arg, da gibt es auch so eine tieftraurige Geschichte von einem Stierkämpfer, der sein Leben lässt. Das ist jetzt nicht unbedingt etwas, was sich tanzen lässt, aber die Melodie ist sehr gut.

Du hast heute im Konzert auch gesagt, dass man nicht mehr Zigeuner sagt, da kam auch eine Frage von einem Newsletter-Leser?

Barbara: Zigeuner ist ein Wort, das teilweise negativ behaftet war. Im Dritten Reich zum Beispiel kam das Wort Zigeuner den Gaunern gleich. Das spaltet sich aber. Die einen sagen selbst: “Wir sind Zigeuner und so ist es!” Die anderen wiederum wollen es nicht hören und die wollen als Volksgruppe Sinti und Roma genannt werden - das ist einfach ganz unterschiedlich, aber im allgemeinen ist der Tenor, dass man das Wort Zigeuner zurzeit weniger verwendet, sondern einfach durch die Begriffe Sinti oder Roma ersetzt.

Erik: Politisch ist es nicht korrekt. Da war auch in der “anda” ein Artikel drin über einen Sänger Papan, das ist der König dieser Roma-Sänger im Osten und der hat gesagt: “Ich war immer Zigeuner, und jetzt gibt es Leute, die nennen mich Roma. Was ist ein Roma und wo kommen die her?” Nimm uns als Beispiel: Wir spielen Flamenco und wir machen aber auch Zigeunermusik.

Barbara: Und wenn wir jetzt sagen, wir spielen Flamenco Musik und Musik der Sinti und Roma, dann weiss kein Mensch, was das ist, das ist immer so etwas wie ein Zwiespalt. Wir hatten auf den Plakaten immer drauf stehen “Flamenco & Zigeunermusik - und es ist jetzt eigentlich “politically” nicht korrekt, dass es da so steht.

Erik: Wobei die Leute, die sich da drüber mokieren, meistens keine Zigeuner sind. Das merkt man zum Beispiel in Heidingsfeld (Vorort von Würzburg, vergleichbar mit der New Yorker Bronx), wo einige Zigeuner leben. Die freuen sich, wenn sie diese Lieder hören. Die sagen dann “Ich habe verstanden, was du gesungen hast.” Der Titi Winterstein hat das auch gemacht und da hat sich nie einer über den Begriff Zigeuner mokiert.

Konzentriert bei der Sevillana

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